Ich könnte jetzt darüber schreiben, dass ja jeder einen Blog hat, und ich mich jetzt dem Massendruck ergeben habe, aber das ist Quatsch. Ich will mich nur mitteilen.

Saturday, March 20, 2010

Sex vor der Ehe: Ja oder Nein? - ein theologischer Klärungsversuch

Ich bin oft mit den unterschiedlichsten Christen in Diskussionen über das Thema "Sex vor der Ehe: Ja oder Nein?" verwickelt. Darum habe ich mich mal dazu aufgerafft einen theologischen Essay darüber zu schreiben, der das ganze Thema versucht biblisch zu beleuchten. Here it is:
Die Standard-Bibelstelle die gerne genommen wird um das Verbot von Sex vor der Ehe biblisch zu legitimieren, ist eine aus dem Paulusbrief.
Wichtig ist hier bei diese Briefe im Gesamtkontext zu betrachten. Das heißt: in was für einem zusammenhang steht die Bibelstelle, in was für einer Situation wurde die Stelle geschrieben und (ganz wichtig) an WEN wurde dieser Brief gerichtet.
Nicht ganz unwichtig ist auch, wer der Mensch war, der diesen Brief geschrieben hat.
Also erst einmal zu Paulus:
Bevor er Christ wurde, war er in einer jüdischen Sekte, die heute unter den Namen Pharisäer bekannt ist. Diese Sekte hat sich vor allem durch ihre krass lustfeindliche Art ausgezeichnet, die so weit ging, dass die meisten Vertreter dieser Strömung bereits beim Anblick einer Frau sich das Hemd zerissen (was starke Enttäuschung und Ablehnung symbolisiert) und sich in den Staub warfen, da ihnen der Straßenstaub lieber war, als eine Frau zu sehen oder gar mit ihr zu sprechen.
Mit diesem jüdischen Mainstream hat bereits Jesus gebrochen, als er sich bereitwillig von einer Hure die Füße waschen lies, was in der damaligen Zeit einem heutigen Blowjob gleich kommt. Diesen Punkt sollte man auf jeden Fall beachten.
Nun zu der Bibelstelle:

1. Korinther 7:
1 Was aber das betrifft, wovon ihr mir geschrieben habt, so ist es gut für einen Menschen, keine Frau zu berühren. 2 Aber wegen der Unzucht habe jeder seine eigene Frau, und jede habe ihren eigenen Mann. 3 Der Mann leiste der Frau die eheliche Pflicht, ebenso aber auch die Frau dem Mann. 4 Die Frau verfügt nicht über ihren eigenen Leib, sondern der Mann; ebenso aber verfügt auch der Mann nicht über seinen eigenen Leib, sondern die Frau. 5 Entzieht euch einander nicht, es sei denn nach Übereinkunft eine Zeit lang, damit ihr euch dem Gebet widmet und dann wieder zusammen seid, damit der Satan euch nicht versuche, weil ihr euch nicht enthalten könnt. 6 Dies aber sage ich als Zugeständnis, nicht als Befehl. 7 Ich wünsche aber, alle Menschen wären wie ich; doch jeder hat seine eigene Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so. 8 Ich sage aber den Unverheirateten und den Witwen: Es ist gut für sie, wenn sie bleiben wie ich. 9 Wenn sie sich aber nicht enthalten können, so sollen sie heiraten, denn es ist besser, zu heiraten, als vor Verlangen zu brennen.

Diese Bibelstelle wird gerne genommen, um den Verbot von Sex vor der Ehe biblisch zu legitimieren. Zuerst sollte beachtet werden, das dreimal in diesem Abschnitt betont wird, dass dies die persönliche Meinung von Paulus ist, und zwar:
6 Dies aber sage ich als Zugeständnis, nicht als Befehl.
7 ICH wünsche aber, alle Menschen wären wie ich
8 ICH sage aber den Unverheirateten und den Witwen:

in der Hoffnung für alle-Übersetzung steht dies sogar noch deutlicher drin. Dazu noch diese Übersetzung:

1 Nun zu der Frage, die ihr mir in eurem Brief gestellt habt. Ihr sagt: "Es ist gut für einen Mann, überhaupt nicht zu heiraten." 2 Ja, aber damit niemand zu einem sexuell zügellosen Leben verleitet wird, ist es besser, wenn jeder Mann seine Frau und jede Frau ihren Mann hat. 3 Der Mann soll seine Frau nicht vernachlässigen, und die Frau soll sich ihrem Mann nicht entziehen, 4 denn weder die Frau noch der Mann dürfen eigenmächtig über ihren Körper verfügen; sie gehören einander. 5 Keiner soll sich dem Ehepartner verweigern, außer beide wollen eine Zeit lang verzichten, um für das Gebet frei zu sein. Danach kommt wieder zusammen, damit euch der Satan nicht in Versuchung führen kann, weil ihr euch nicht enthalten könnt. 6 Ich sage euch dies als Rat, nicht als Befehl. 7 Ich wünschte zwar, jeder würde wie ich ehelos leben. Aber jeder hat von Gott eine besondere Gabe bekommen: Die einen leben nach seinem Willen in der Ehe, die anderen bleiben unverheiratet. 8 Den Unverheirateten und Verwitweten rate ich, lieber ledig zu bleiben, wie ich es bin. 9 Wenn ihnen das Alleinsein aber zu schwer fällt, sollen sie heiraten. Denn das ist besser, als von unerfülltem Verlangen beherrscht zu werden.

Es mag sein, das mir da jetzt manche Haarspalterei vorwerfen, allerdings zieht sich genau dieses Ding durch alle Paulus-Briefe. Es gibt sogar Stellen in denen er schreibt "Gott sagt: [...] Ich finde aber: [...]"
Dies ist meiner Meinung nach kein Widerspruch zu Gott, sondern lediglich ein Zeichen dafür, das Paulus ein Mensch war, dessen Leben ebenso wenig im 100%igen Einklang mit Gott war, wir unseres.
Deswegen wehre ich mich als Christ, der allein Gott als Autorität betrachtet, dagegen, Paulus Meinungen und Worte als die absolute, von gottgegebene Wahrheit zu akzeptieren. Oft wird einem vorgeworfen, damit die Bibel zu hinterfragen, bzw den Geist der dahinter steht. Tatsächlich hinterfrage ich aber nur Paulus als Menschen, der genau so Fehler hatte, wie du und ich.
Nun zu dem Punkt der Situation in denen Paulus diese Briefe schrieb. Wie viele von euch wissen, war Paulus, nach dem er Christ wurde, ständiger Verfolgung ausgesetzt und hatte auch einige seiner Briefe in Gefangenschaft geschrieben. Es ist all zu menschlich, die Probleme die man hat, zu Tugenden werden zu lassen, um besser mit ihnen klar zu kommen. Das radikalste Beispiel findet man beispielsweise bei Natascha Kampusch, die nach Jahren der Gefangenschaft eine so intensive Beziehung zu ihrem Peiniger aufgebaut hat, dass sie gar kein Interesse daran hatte, das er verurteilt oder bestraft wird.
Dies findet sich auch bei Paulus. Er lebte in ständiger Verfolgung und konnte deswegen dementsprechen auch kein Eheleben führen. Deswegen fing er an, sich selbst das ehelose, und somit enthaltsame, Leben, schön zu reden. Er geht sogar so weit, dass er sich wünscht, alle Menschen wären so wie er (siehe 1. Korinther 7, 7). Geteiltes Leid ist halbes Leid. Er erhofft sich, mit seiner Situation besser klar zu kommen, wenn andere das selbe durchleben müssen wie er. Aus diesem Blickwinkel heraus, erscheint diese Bibelstelle schon in einem ganz anderen Licht.
Wenn wir hingegen all diese Dinge außer acht lassen, stellt sich immer noch die Frage an wen dieser Brief geschrieben wurde.
Tatsächlich war es so, dass - innerhalb der jüdischen Gesellschaft - die Stadt Korinth als das neue Sodom gehandelt wurde und das vollkommen zu Recht.
In der griechischen Oberschicht war es nichts ungewöhnliches sexuelle Kontakte zu Kindern, Geschwistern, Blutsverwandten und Tieren zu pflegen.
Mich würde sehr interessieren, auf was für einen Brief Paulus hier antwortet. Wie im ersten Vers des siebten Kapitels ersichtlich wird, ist dies nämlich ein Antwortschreiben auf eine Frage der Korinther-Gemeinde, die sich mitten in einem Sündenpfuhl aus sexuellen Perversionen befindet.
Paulus weiß sehr genau, wie die Umgebung einen Menschen prägt. Aber anstatt dies zu verurteilen (wie es heute üblicherweise in christlichen Kreisen geschieht) gibt er ihnen ausschließlich Ratschläge, wie sie besser mit dieser Versuchung umgehen können, nämlich in dem sie heiraten und sich in diesem geschützten Rahmen quasi sexuell ausleben können. Vergleichbar ist dies beispielsweise mit Kindern die in sozialen Brennpunkten aufwachsen, in denen eine ungeschützte Sexualität an der Tagesordnung steht. Sei es, das die Eltern vor ihren Kindern Pornographie konsumieren oder das Kinder bereits in der Grundschule ihr erstes Mal haben.
In solchen Fällen, ist es sicher nicht verkehrt, den Opfern dieser Umstände eine Art Ersatz-Sexualität anzubieten, die sich eben ausschließlich in einem stark geschützten Rahmen, eben der Ehe, abspielt.
Allerdings ist es wichtig, diese herangehensweise nicht zu dogmatisieren und als Gottes Gesetz für alle Menschen zu bestimmen. Genau dadurch entstehen noch tiefere Verletzungen und wenn Gott eines nicht will, dann ist es das wir, als seine geliebten Kindern, mit Verletzungen leben müssen.

Mit geschwisterlichem Gruß

Gebull