"Die Fahrkarten, bitte!" - Kurzgeschichte von mir
Bei uns im Dorf war Kirmes. Wie jedes Jahr zu Ostern.
Normalerweise gehe ich nicht besonders gerne auf diese volksfestartigen Spektakel, da diese eher ein Publikum anziehen, mit dem ich keine all zu großen Sympatien hege. Ich ließ mich allerdings wie jedes Jahr von meiner besten Freundin breitschlagen wenigstens für einen Abend das bunte Getümmel aus Bauernkindern, Dorfnazis und junggebliebenen Rentnern über mich ergehen zu lassen.
Um Caro, meine beste Freundin, nicht den Abend mit meinem Gefühlsbrei aus Fremdscham, Ekel und narzistischer Arroganz kaputt zu machen, fing ich bereits zu Hause an mein geistiges Niveau, mit Hilfe von Bier und Schnaps, auf jenes der anwesenden Menschenmassen herabzusenken. Als wir auf dem Kirmesgelände ankamen, war ich bereits so benebelt, dass mir die answesenden Personen fast schon sympatisch erschienen.
Die noch relativ nüchterne Caro zerrte mich von Fahrgeschäft zu Fahrgeschäft, bis wir schließlich an einer, uns schon vom letzten Jahr bekannten, Attraktion befanden: Die "Raupe" entfaltete sich vor uns in ihrer traditionell-simplen Pracht.
Nachdem Caro zwei Karten für uns beide erwarb setzten wir uns nebeneinander in das Fahrgeschäft und hörten schon die Stimme des bullig gebauten Schaustellers der die Tickets einsammelte: "Die Fahrkarten bitte!".
Nachdem ich mein Ticket abgab schaute Caro mich fragend an: "Du hast aber doch nicht zu viel getrunken, oder?". In genau diesem Augenblick raste die "Raupe" aber schon mit voller Wucht los, begleitet vom Klang der 90er-Jahre-Dancefloor-Charts. Sie drückte meinen Körper auf die sperrige Holzbank. Aufgrund des Alkohols und der enormen Geschwindigkeit verkrampfte sich mein Magen so, dass ich den Inhalt des Selbigen nur mit Mühe zurück halten konnte.
Nachdem die Horrorfahrt ihr Ende nahm, fand mein von der Magensäure verzerrtes Mittagessen ein jähes Ende in einem der unzähligen Abflüsse. Der Abend war für mich gelaufen und ich quälte mich jammernd in den nächsten Bus.
Nach dem ich 5 Stationen gefahren bin vernahm ich eine Stimme, die mich aus meiner postvomitalen Ruhe riss: "Die Fahrkarten, bitte!".